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Audio-Interview: Gewerkschaftssekretären Arina Wolf zu Gefährdungsanzeigen im Krankenhaus

Audio-Interview: Gewerkschaftssekretären Arina Wolf zu Gefährdungsanzeigen im Krankenhaus

O-T(h)öne sprach über die Belastungssituation der Beschäftigten im Gesundheitswesen und die Gefährdungsanzeige, auch am Klinikum Ingolstadt mit Gewerkschaftssekretären Arina Wolf von ver.di.

Hier geht es zum Audio-Interview:

Anmerkung der Redaktion:

Den zweiten Teil des Audio-Interviews finden Sie hier: Gewerkschaftssekretären Arina Wolf Arbeitssituation im Krankenhaus

Den drittenTeil des Audio-Interviews hören Sie demnächst bei O-T(h)öne

Für hörbehinderte Menschen hat O-T(h)öne die Audiodatei unter Anwendung der Software Whisper transkribiert, also verschriftlicht. Es gilt das gesprochene Wort in der Audiodatei.

OT: O-T(h)öne im Gespräch mit Arina Wolf, Gewerkschaftssekretärin bei Verdi, zuständig für den Öffentlichen Dienst. Frau Wolf, hallo und Grüß Gott .

Wolf: Ja, hallo auch an Sie, Herr Thöne und auch an alle, die gerade uns zuhören. Genau, ich bin ja die zuständige Gewerkschaftsekretärin für den Bereich der Gesundheitsbranche und freue mich auch tatsächlich, mit Ihnen heute zu sprechen.

OT: Gesundheitsbranche ist ein ganz aktuelles Thema. Wir lesen täglich darüber in den Zeitungen. Was brennt Ihnen denn aktuell auf den Nägeln?

Wolf: Ja, natürlich. Wenn ich darüber nachdenke, was in die Themen, was gerade die Gesundheitsbranche bewegt, ist unser großes Thema die Belastungssituation der Beschäftigten und wie sie durch diesen wirtschaftlichen Druck ihrer Arbeit sehen und auch aus der Arbeit flüchten. Und das macht uns ziemlich große Sorge, weil wir nicht den Eindruck haben, dass viel unternommen wird, um eben dieser Belastungssituation entgegenzuwirken, sondern eher der Schwerpunkt auf den wirtschaftlichen Erfolg liegt. Und das macht mir oder unseren Mitgliedern schon auch Sorge, weil sie das tagtäglich an ihren eigenen Knochen spüren, was das heißt, mehr, als man kann, über das Limit arbeiten zu müssen, weil eben vorne und hinten Kollegen fehlen.

OT: Können Sie das konkretisieren an einem Betrieb?

Wolf: Ja, klar. Also, wenn, dann reden wir natürlich auch über das Klinikum Ingolstadt. Wir haben da ja nach der Tarifrunde im öffentlichen Dienst erfolgreich jetzt auch eine Ver.di-Betriebsgruppe aktivieren können mit vielen Kolleginnen und Kollegen, die dort sich betätigen und die Rückmeldungen, die ich bekomme, bestätigen eigentlich den Eindruck, den ich auch davor gehabt habe, dass zum Beispiel ein großes Thema ist immer noch die Frage der Gefährdungsanzeigen, weil natürlich in einer Situation, wo man Personalmangel erfährt, wo auf der Station selbst Kolleginnen fehlen, möchte man sich irgendwie absichern.

OT: Was ist denn eine Gefährdungsanzeige?

Wolf: Gefährdungsanzeige ist eigentlich ein Instrument, was beiden Seiten, dem Arbeitgeber und dem Arbeitnehmer dazu dient, entweder Gefahrensituationen zu beheben oder aber auch Gefahrensituationen, die entstehen können, von vornherein beheben zu können.

OT: Das macht der Arbeitnehmer dann schriftlich gegenüber der Geschäftsführung oder wie geht das?

Wolf: Genau. Normalerweise, und das ist ja auch am Klinikum Ingolstadt, sind die Wege ganz klar, im Intranet findet man, wenn man gut sucht, den Button, den man drücken muss und dann kommt man relativ schnell auf die Gefährdungsanzeigenformulare, dass man ausfüllt und dann wird das abgeschickt und geht seinen Weg.

OT: Wann fülle ich das aus, wenn ich unterbesetzt bin, wenn zu wenig Personal da ist, oder wann man das aus?

Wolf: Manchmal reicht auch schon der Blick auf den Dienstplan und jeder erfahrene Pflegekraft oder Kollegin, die einen Blick auf den Dienstplan wirft, kann schon vorausahnen, welcher Dienst auf sie wartet und schon da kann man die Gefährdungsanzeige schreiben. Wir bekommen aber tatsächlich die Rückmeldungen, dass es ganz wenige tun. Und dann frage ich mich, entweder gibt es gar keine Belastungssituation am Klinikum, beim Personal oder gibt es andere Faktoren, die das Personal hemmen, diese Gefährdungsanzeigen zu schreiben.

OT: Was wären das für Faktoren?

Wolf: Na ja, ganz klar, der Umgang mit den Gefährdungsanzeigen im Unternehmen und wir machen die Erfahrung, dass das nicht ernst genommen wird. Und dass wenn überhaupt man die Gefährdungsanzeige schreibt, ohne dass davor die direkte Führungskraft interveniert hat und gesagt hat, nein, schreibe das nicht. Wenn das so im Sande versickert, dass ein wirkliches Ergebnis oder eine Abhilfe des beschreibenden Problems gar nicht erfolgt. Entweder sehen die Beschäftigten die Gefährdungsanzeige als zahnloser Tiger oder sie haben schlicht untergreifend Angst, diese zu stellen, vor allem wegen den Konsequenzen, denen man sie entweder offen androht oder halt tatsächlich unterschwellig. Und das ist ein großes Problem, indem diese nichts anderes als rufen nach Entlastung oder rufen nach einer Abhilfe, wenn zu wenig Personal da ist oder wenn eine Situation da ist und die Beschäftigten nicht mehr das Mittel ergreifen können, eine Gefährdungsanzeige zu schreiben, weil sie Sorge haben vor Repressionen oder...

OT: Das ist aber starker Tobak. Was sollen dafür Repressionen entstehen?

Wolf: Das sind ja manchmal so Mikrodinge, die im Stationsalltag dann einfach geschehen. Entweder Wunschfrei oder Dienste oder Dienstfolgen und und und, die nicht immer berücksichtigt werden oder nach Nasenfaktor entscheiden werden. Ich will ausdrücklich sagen, dass es nicht überall in jeder Station passiert, aber mich treibt die Sorge um, wieso die Kolleginnen und Kollegen das Mittel Gefährdungsanzeige nicht wahrnehmen.

OT: Darf ich nochmal nachfragen? Also, wenn nichts passiert mit der Gefährdungsanzeige, das heißt, die Kollegen zeigen das an, es passiert nichts, dann ist ja die Gefährdungsanzeige im Prinzip ein Papiertiger und dann kann es auch passieren, dass die Kollegen sagen, warum soll ich was ausführen, wenn nichts passiert.

Wolf: Genau. Also, das ist der eine Teil. Es gibt keine merkliche Rückschleife. Also, ich glaube schon, das ist was passiert. Wenn man die Anzeige schreibt, dass es Minimum an ein oder zwei Stellen ankommt, die sie bearbeiten und sich das Anschauen und vielleicht auch hingehen und und und, aber die Konsequenz zum Beispiel, wenn eine Kollegin sagt, wir sind viel zu wenige und ein Auszubildender und eine Hilfskraft, reichen mir nicht, um im Frühdienst meine Aufgaben zu erledigen, dann schreibt sie diese Überlastungs- oder Gefährdungsanzeige. Was dann aber passiert, es passiert keine Rückkopplung oder keine Konsequenz für die Kolleginnen, zum Beispiel, dass beim nächsten Mal es ganz klar kommuniziert wird, zum Beispiel bei zu viel Belegung für eine Fachkraft, dass da tatsächlich Betten gesperrt werden.

OT: Hat das dann haftungsrechtliche Gründe oder Folgen oder auch vom Organisationsschulden her folgen, wenn so eine Überlastungsanzeige angelegt wird?

Wolf: Natürlich. Also, im Grunde genommen, eine Gefährdungsanzeige ist nichts anderes als ein Hinweis an den Arbeitgeber, was natürlich jede Arbeitnehmerin und Arbeitnehmer machen muss, wenn er eine Gefährdung sieht, erkennt oder voran hat er die Pflicht, diese Anzeige zu machen, damit der Arbeitgeber oder der Verantwortliche Abhilfe schaffen kann.

OT Was werden denn Ihre gewerkschaftlichen Forderungen an die Geschäftsführung des Klinikums?

Wolf: Erstmal, wenn man die Gefährdungsanzeige ansieht, würde ich die Strukturen mir ganz genau anschauen und sagen, welche Konsequenzen ziehen wir daraus und was können wir tun, damit diese Situation nicht noch einmal passiert? Und ich glaube, als erste Reaktion soll schon auch mit den Beschäftigten gesprochen werden, eine Rückmeldung, dass sie Punkt 1 angekommen ist und Punkt 2, wie der Stand der Bearbeitung ist. Es muss ja nicht immer Personalmangel sein, es kann ja auch nur, ich sage jetzt salopp, kaputte Lampe sein. Wegen der kaputten Lampe muss man jetzt kein Mitarbeitergespräch in dem Sinne führen

OT: Dafür gibt es ja wahrscheinlich einen Arbeitsauftrag für die Technik und keine Gefährdungsanzeige.

Wolf: Genau, aber das ist was anderes, sondern was fehlt, ist die Rückmeldeschleife, aber auch die Sensibilisierung der Führungskräfte vor Ort, dass eben eine Gefährdungsanzeige keine Kritik an die eigentliche Arbeit der Stationsleitung ist, sondern ein Hinweis von den Beschäftigten, dass dort was schieflaufen könnte. Und da fehlt es manchmal an Verständnis und wir bekommen einfach die Rückmeldungen, dass es einfach von den direkten Führungskräften nicht gewollt ist, dass diese Anzeige gestellt wird. Und ich glaube, da muss man einfach durch Qualifizierungsangebote, durch Gespräche, auch den direkten Führungskräften näher beibringen, wie man das Instrument Gefährdungsanzeige auch gut nutzen kann, um eben positive Dinge entstehen zu lassen.

OT: Wie ist denn überhaupt die Zusammenarbeit zwischen Verdi und der Geschäftsführung im Klinikum?

Wolf: Na ja, kommen darauf an zu welcher Phase Sie uns dazu fragen.

OT: Hier und heute.

Wolf: Ich erlebe grundsätzlich eine gute Zusammenarbeit zwischen der Geschäftsführung und ver.di. Klar gibt es phasenweise mal Streitigkeiten über bestimmte Themen, aber im Großen und Ganzen funktioniert die Zusammenarbeit gut. Wir können unsere Anliegen vorbringen, nicht immer werden sie in unserem Sinne erledigt. Zum Beispiel, was tatsächlich gut gelaufen ist, waren dann schließlich die Verhandlungen zu einer Notdienstvereinbarung, die wir im Streik ja auch verhandelt haben, indem auf beiden Seiten einfach nicht nur eine gewisse Rechtssicherheit gegolten hat, sondern auch den Kolleginnen die Möglichkeit zum Streik auch erlaubt worden ist.  Die Verhandlungen haben wir als sehr konstruktiv und zielführend im Gesamten gesehen.

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