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Die Tücken des bayerischen Wahlrechts?

Die Tücken des bayerischen Wahlrechts?

O-T(h)öne gibt Fraktionen und Gruppierungen im Ingolstädter Stadtrat, sowie ausgewählten Personen des gesellschaftlichen Lebens und aus dem journalistischen Bereich, in der Rubrik "Aus fremder Feder", die Möglichkeit eines Gastkommentars zur Ingolstädter Kommunalpolitik. Das Thema ist durch den Gastkommentator frei wählbar, ebenso die Länge des Textes. Die Veröffentlichung erfolgt nicht redigiert und ungekürzt. Die Verantwortung für den Inhalt trägt allein der Verfasser des Gastkommentars.

Gastkommentar von Robert Bechstädt

Bei Landtagswahlen in Bayern scheint die Sache klar zu sein. Die Direktmandate im jeweiligen Stimmkreis, welche mit einfacher Mehrheit errungen werden, gehen in Bayern in der Regel an die CSU. 2018 gewannen jedoch die Grünen in München etliche Direktmandate. Ludwig Spänle kann ein Lied davon singen.

Parteien wie Grüne, SPD, FW, FDP, aber auch die AfD müssen ihre Landtagsmandate in der Regel über die Zweitstimmen in ihrem Wahlbezirk in Addition zu den Erststimmen aus ihrem Stimmkreis gewinnen. Das heißt, Erststimmen in Ingolstadt und Zweitstimmen im ganzen restlichen Oberbayern. Wenn seiner Partei in Oberbayern z.B. 5 Landtagsmandate zustehen und er gehört zu den Kandidaten mit 5 meisten Stimmen dort, dann ist er im Landtag, vorausgesetzt seine Partei schafft die 5-Prozent-Hürde. Soweit die Theorie.

CSU, Grüne, SPD und FW haben ihre Kandidaten nominiert. Deshalb sieht es auf den ersten Blick aus, dass Alfred Grob das Direktmandat bereits sicher hat und das restliche Bewerberfeld genügend Zweitstimmen bräuchte.

Das ist gerade in Ingolstadt schwierig, denn seit 2013 hat unser Stimmkreis lediglich zwei Drittel der Wahlberechtigten im Vergleich zu anderen Stimmkreisen. Die Erststimmenbasis ist für ein Mandat über die Liste zu schmal. Das hat Ingolstadt Horst Seehofer zu verdanken, der als Ministerpräsident einen eigenen Stimmkreis brauchte. Da in Ingolstadt Christine Hadertauer die CSU-Platzhirschin war, wurde der Stimmkreis Neuburg auf Kosten von Ingolstadt und Pfaffenhofen neu geschaffen. Letztere sind seitdem für Listenmandate fast chancenlos. Soviel zum Thema Pluralismus. Als zweitgrößte Stadt Oberbayerns dürfte Ingolstadt wieder nur mit einem Abgeordneten im Landtag vertreten sein.

Vielleicht hätten die Grünen mit Rupert Ebner die Chance auf ein Mandat gehabt. Er wurde Kommunalwahl 2020 von Listenplatz 8 auf Platz 3 vorgewählt und holte als grüner Kandidat in Oberbayern bei der Landtagswahl 2013 mehr Zweitstimmen als Kathi Schulze. Aufgrund der derzeit guten Umfragewerte für die Grünen wäre die Chance auf ein Landtagsmandat für ihn realistisch gewesen. Statt seiner kürten die Delegierten den unbekannten Merlin Nagel, der bei der Kommunalwahl 2020 von Listenplatz 24 auf Platz 32 zurückgefallen war. „Der Wurm muss dem Fisch schmecken und nicht dem Angler“. Es war vermutlich nicht die klügste Entscheidung. Wenn Merlin Nagel vom Direktmandat in Ingolstadt für sich spricht, scheint er sein Potenzial zu überschätzen.

Wären da nicht die 77,2 % bei seiner Nominierung als einziger Bewerber der CSU gewesen, könnte man meinen, wieder eine klare Sache für Alfred Grob. Ein bekannter Ingolstädter Journalist bezeichnete das Ergebnis „als Hinrichtung“. Auch Grobs Äußerung, dass seine ersten vier Jahre Eingewöhnungszeit waren, ist nicht förderlich. Zumindest in den Medien wurde in dieser Zeit kaum etwas über seine Leistungen im Landtag für unsere Stadt berichtet. Vielleicht reicht ihm ja die Tatsache, CSU Kandidat zu sein.

Dennoch bleibt er der Favorit aufs Direktmandat. Angesichts der glänzenden Ergebnisse der Kandidaten von SPD und FW - beide einstimmig nominiert - und der Geschlossenheit ihrer Parteien kann ein anderes Ergebnis nicht mehr ganz ausgeschlossen werden.

Es liegt jetzt an Markus Reichhart, Markus Rößler, aber auch an Alfred Grob, ob eine Überraschung möglich ist. Reichhart will mit seiner Erfahrung aus 5 Jahren Landtag von 2008 bis  2013 punkten und der 16 Jahre jüngere Jurist Markus Rößler ist ein junges Gesicht, der sich bei seiner Nominierung überzeugend präsentiert hat. Nach gutem Start wird es der Wahlkampf zeigen. Fürs Mandat reicht die einfache Mehrheit. Darin kann für Alfred Grob auch die Tücke liegen.

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