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Gewerkschaftssekretären Arina Wolf zur Arbeitssituation im Krankenhaus – Teil 2 des Audio-Interviews

Gewerkschaftssekretären Arina Wolf zur Arbeitssituation im Krankenhaus – Teil 2 des Audio-Interviews

O-T(h)öne sprach über die Situation der Beschäftigten im Krankenhaus, auch am Klinikum Ingolstadt, mit Gewerkschaftssekretären Arina Wolf von ver.di.

Die Themen:

  • Zusammenarbeit mit dem Aufsichtsratsvorsitzen Oberbürgermeister Christian Scharpf (SPD) am Klinikum Ingolstadt
  • Wie schaut es aus mit den Eingruppierungen?
  • Mangel an Arbeitskräften und die Generation Z
  • Work-Live-Balance
  • Auszubildende in der Pflege
  • Dienstplangestaltung

 Hier geht es zum Audio-Interview:

Anmerkung der Redaktion:

Den ersten Teil des Audio-Interviews finden Sie hier: Gewerkschaftssekretären Arina Wolf zu Gefährdungsanzeigen im Krankenhaus

Den dritten Teil des Audio-Interviews hören Sie demnächst bei O-T(h)öne

Für hörbehinderte Menschen hat O-T(h)öne die Audiodatei unter Anwendung der Software Whisper transkribiert, also verschriftlicht. Es gilt das gesprochene Wort in der Audiodatei.

OT: Es hat mit der Kommunalwahl auch eine Änderung im Aufsichtsratsvorsitz gegeben. Wie ist denn der Kontakt oder gar die Zusammenarbeit zwischen Ver.di und dem Aufsichtsratsvorsitzenden, dem Ingolstädter Oberbürgermeister Christian Scharpf von der SPD?

Wolf: Ganz klar muss ich sagen, natürlich sind wir immer noch sehr froh, dass das Versprechen eingehalten worden ist, dass die Kolleginnen und Kollegen, die im Servicebereich arbeiten, nach demselben Tarifvertrag bezahlt werden, wie das Klinikum auch. Darüber sind wir froh, dass das Versprechen gehalten worden ist und trotz mancher Widrigkeiten immer noch auch gehalten wird. Deswegen kann ich auch darüber nichts Negatives sagen, auch da ist die Zusammenarbeit gut, wobei natürlich eines der Forderungen, die wir gestellt haben, auch in diesem Jahr bei dem Oberbürgermeisterempfang, war, dass zum Beispiel am Wochenende die Busverbindung nach vom Nordbahnhof zum Klinikum den Kolleginnen und Kollegen nicht ermöglicht, dass sie zum Frühdienst ankommen. Das heißt, die Kolleginnen und Kollegen müssen Wochenende, zum Beispiel Samstag, Sonntag oder an Feiertagen, privat gefahren werden zum Klinikum, weil dort schlicht und ergreifend kein Bus hinführt. Ich finde, das kann man relativ schnell beheben.

OT: Sie haben gerade auf diesen Tarifvertrag hingewiesen, dass die jetzt alle nach dem Öffentlichen Dienst bezahlt werden. Wie schaut es denn überhaupt aus mit den Eingruppierungen am Klinikum Ingolstadt, sind Sie da zufrieden? Gibt es da Rechtsstreitigkeiten, gibt es da Probleme?

Wolf: Im Grunde genommen klar, dass Tarifvertrag Öffentlicher Dienst gilt und dort wird auch eingruppiert nach dem, was es gilt. Wir sehen aber verschiedene Interpretationsmöglichkeiten. Wenn wir jetzt gerade die Kolleginnen aus dem Steri ansehen kämpfen, das ist die Sterilisation, zum Beispiel von wichtigen Instrumenten, die im Operationssälen gebraucht werden, dort streiten wir seit Jahren uns darum, ob diese Tätigkeiten einfachste Tätigkeiten sind, ohne genügend Einarbeitung oder wie wir sehen, weil es auch schon ein Einarbeitungskonzept gibt, wo die Kolleginnen und Kollegen eingearbeitet werden müssen, dass sie nicht wie einfachste Tätigkeiten eingruppiert werden, sondern tatsächlich in die Geldgruppe gehören, wo Kenntnisse vorausgesetzt werden und besser bezahlt werden. Also Interpretationsmöglichkeiten gibt es, im Großen und Ganzen befolgt das Klinikum, die Eingruppierungsregeln, aber klar gibt es immer mal wieder Dinge, wo man sich einen rechtlichen Beistand suchen muss und das dann überprüfen muss. 

OT: Wir haben jetzt eine völlig neue Situation, also wir haben einen Arbeitskräftemangel. Früher sind die Leute angestanden um einen Arbeitsvertrag und heute gehen die Arbeitgeber ganz stark auf die Beschäftigten zu und versuchen zu werben. Wir haben die Situation der Generation Z, die ja ein völlig anderes Grundverständnis hat, wie ihre Arbeitswelt, wie ihr Arbeitsleben und ihr Leben auszuschauen haben. Haben Sie den Eindruck, dass das Klinikum Ingolstadt sich schon auf die Generation Z eingestellt hat?

Wolf: Also im Streik hat mir eine Kollegin berichtet, dass sie noch die Zeit kennt, vor 10, 15 Jahren, wo das Klinikum den Pflegekräften befristete Arbeitsverträge vergeben hat, dass es sowas von nicht mehr realitätsnah und ich glaube das Klinikum Ingolstadt ist Gott sei Dank von dieser Praxis schon lange abgekehrt, weil eben Personalmangel herrscht und sie froh um jede helfende Hand sind, die sich dort bewirbt. Tatsächlich ist das so, wenn man sagt, die Generation Z und letztens war glaube ich auch irgendwo in den sozialen Medien eine Unterhaltung gewesen, ob die Generation Z faul ist, nur weil sie Work-Live-Balance nicht mehr befolgen. Ich vertrete da eine Meinung und sage den jungen Menschen, ist das einfach sehr wichtig, dass ihr Privatleben und ihr Arbeitsleben gut vereinbar sind. Gerade in den Berufen, wo ihre Arbeitskraft gefragt wird, geht es dann nicht mehr darum, dass sie bereit sind, ausgebeutet zu werden, sondern tatsächlich legt die Generation Z sehr viel Wert auf eine Work-Live-Balance.

OT: Ist es denn am Klinikum Ingolstadt gegeben und wenn nicht, was müsste passieren?

Wolf: Na ja, was ich gerade in der Ausbildung der Pflegekräfte sehe, das große Manko ist die Realität, in die sie reingeschmissen werden, nach ein paar Theorieblöcken. Sie erleben zu wenig Praxisanleitung, sie erleben zu wenig Zeit, um Dinge, die sie theoretisch kennen, gelernt haben, ins Praktische umzuwandeln. Sie erleben viel mehr Tätigkeiten wie Waschen, Waschen, Waschen, Blutdruckmessen, Blutdruckmessen, Blutdruckmessen. Schon im zweiten Lehrjahr, fühlen die den wirtschaftlichen Druck extrem, indem sie als Lückenfüller eingesetzt werden. Schon da ist die Abbrecherquote recht hoch und ich frage mich, wer ist nicht besser in die Ausbildung zu investieren, in eine gute Ausbildung auch, in die praktische gute Ausbildung zu investieren, indem man zum Beispiel den Anteil der Praxisanleitungen erhöht. Den Kolleginnen, die die Praxisanleitung vor Ort machen, denen auch die benötigte Zeit im Dienstplan auch vorsieht. Damit eben nicht der Personalmangel dazu führt, dass die Kolleginnen die Auszubildenden einfach als günstige Arbeitskräfte eingesetzt werden.

OT: Sind Sie denn da in Kontakt im Gespräch entweder mit der Pflegedirektion oder aber auch mit der Schulleitung des Berufsbildungszentrums?

Wolf: Ja, auch die handelnden Personen ändern sich, auch am Klinikum Ingolstadt und zum Teil bedauern wir das sehr. Auch den Weggang von handelnden Personen, dass da auch eine gute Kommunikation einfach nicht mehr so stattfindet. Mir macht das Sorge auch, normalerweise gab es das Commitment, vor Corona, dass wir in der Pflege als Gewerkschaft werde unsere Arbeit in der Berufsschule vorstellen konnten. Das ist leider nicht mehr vorhanden. Die Bereitschaft ist zwar da, aber die Bereitschaft ist gemeinsam anzugehen weniger. Das heißt, wir haben immer noch die Möglichkeit, klar Präsenz zu zeigen. Das ist unbestritten, aber tatsächlich Zeit zu haben mit den Kolleginnen und Kollegen über ihre Verbandsmöglichkeit zu sprechen, ist nicht mehr so wie vor Corona. Daran arbeiten wir und ich freue mich tatsächlich, wenn wir wieder die Möglichkeit haben, in Rahmen des Schulunterrichts unsere Arbeit vorstellen zu können. 

OT: Noch mal zurück zur Generation Z. Es sind ja bei der Generation Z nicht nur die Auszubildenden, die betroffen sind, sondern ganz viele Ausgelernte gehören ja schon zur Generation Z. Was müsste sich da verbessern, um die Leute zu halten, um die Berufszufriedenheit zu steigern, um Wertschätzung zu steigern oder zu leben? Wie kann man diese Forderungen auch so verbinden, dass man sagt, da kann man den Personalmangel beheben? Weil den Personalmangel behebe ich ja vermutlich in Zukunft nur über die Generation Z, oder vorwiegend über die Generation Z.

Wolf: Eine sehr gute Frage. Wir haben letztes Jahr eine Befragung, als ver.di bei den Beschäftigten gestellt, was müsste sich verändern, damit man entweder die Arbeitszeit aufstockt oder tatsächlich zurück in den Beruf kehrt?

OT: Im Klinikum oder im Gesundheitswesen?

Wolf: Im Gesundheitswesen bundesweit gab es von der Hans-Böckler-Stiftung die Umfrage erstellt und ganz klar ist Dreh- und Angelpunkt der Dienstplan und die Wirksamkeit des Dienstplans. Oft ist das so in der Realität, dass wir sehen, dass der Dienstplan so, wie er druckfrisch rausgegeben wird, zum Schluss des Monats oder des Dienstplanzeitraumes bei Weitem nicht mehr so ist, wie er rausgekommen ist. Das heißt, je stabiler der Dienstplan ist, desto besser ist die Zufriedenheit der Beschäftigten. Das ist eigentlich auch die Kernforderung auch von uns zu der Frage Dienstplangestaltung, wo wir bessere Möglichkeiten sehen, wenn die Kolleginnen und Kollegen ihren Dienstplan selbst gestalten können. Natürlich mit genügend Vorlauf, ich denke mir drei, vier Monate davor, um den Kolleginnen selbst die Möglichkeit zu geben, ihre Dienste so einzutragen, damit eben auch der Punkt Wunschdienst in dem Sinne weiter bestehen bleibt, aber nicht mehr abhängig ist von einer Person, sondern dass man dann die Dienste selbst einteilen kann, so wie die Zeit steht und natürlich mit genug Personal, weil je besser die Personalausstattung im Team, desto stabiler ist der Dienstplan und desto weniger muss man einspringen, muss man was verändern, muss man was schieben.

OT: Wie sind denn normal jetzt die Dienstpläne, vier Wochen, acht Wochen oder was ist die Regel?

Wolf: Normal sind das die vier Wochen, der Dienstplanrhythmus, der für vier Wochen rausgegeben wird und schon ein Monat davor veröffentlicht wird. Das sehen wir auch, dass natürlich die Kolleginnen und Kollegen nicht nur von einem Monat zum anderen Monat ihre Freizeit und Privatzeit planen können, sondern es muss auch gewährleistet werden, dass ich auch drei Monate im Voraus sagen kann, dass ich diesen Arzttermin wahrnehmen kann oder dass ich meine geliebte Oma gerne wo besuchen kann, ohne erstmal unter Vorbehalt der Dienstplangestaltungen zu stellen. Ich glaube, je besser der Dienstplan ist, desto zufriedener sind die Kolleginnen. Wir sehen gute Lösungen in ein paar Betrieben, zum Beispiel auch in der NRW, in den Unikliniken, dass sie an den Beschäftigten die Möglichkeit geben, ihren Dienstplan erstmal selbst zu schreiben, da ihre Arbeitszeit für den Monat zu verplanen. Das hat den Vorteil, dass der Dienstplan einfach beständiger ist, dann wenn er wirkt. Klar ist, das muss über den Betriebsrat gehen, da müssen viele verschiedene Stellen noch drüber schauen. Deswegen, wenn, dann ist diese Forderung realisierbar für drei oder vier Monate im Voraus. Aber nichtsdestotrotz befähigt man die Kolleginnen, ihre Arbeitszeit selbst zu verplanen oder andersrum, ihre Freizeit selbst zu verplanen und nicht zu warten, bis es jemand anderes tut.

OT: Also früher hat man immer gesagt, das ist kein Freizeitplan, das ist ein Dienstplan und heute wäre es anders, dass der Dienstplan eher ein Freizeitplan wäre.

Wolf: Genau, weil das ist nicht nur die Generation Z, sondern was wir gesehen haben, dass hier planbarer die Arbeitszeit ist, desto zufriedener sind die Mitarbeiter, weil sie natürlich ihre Freizeit danach planen. Das heißt, das für mich wäre das eher eine gute Geschichte, wenn man tatsächlich den Mitarbeitern bestmögliche Planungssicherheit geben kann und dann glaube ich auch, dass vieles andere einfacher wäre. Gleichzeitig muss man natürlich nicht beschönigen, dass nur deswegen alles besser wird. Gleichzeitig muss es auch spürbar vor Ort sein, zum Beispiel, wenn nicht genug Personal da ist, dass man sich nicht mit der PDL rumstreitet, um die Bettensperrung, sondern dass das klar ist, dass man das bestehende Personal, das den Karren aus dem Dreck zieht und dafür sorgt, dass Bürgerinnen und Bürger eine gute Versorgung bekommen können, nicht noch mehr belastet, indem man mehr Arbeitsmenge in denen gibt, die die schon eh über das Limit hinaus arbeiten. Also da muss nicht nur die Zufriedenheit der Mitarbeiter eine Rolle spielen, sondern auch der Wille da sein, die Arbeitsmenge auch dementsprechend anzupassen.

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