Interview mit Christian De Lapuente (SPD) zur Landtagswahl

O-T(h)öne führte ein Telefoninterview mit dem SPD-Fraktionsvorsitzenden Christian De Lapuente zum Ergebnis der Landtagswahl. Das Gespräch wurde aufgezeichnet.
OT: Wie zufrieden sind Sie mit dem Landtagswahlergebnis Ihres SPD-Kandidaten in Ingolstadt?
De Lapuente: Das Ergebnis von Markus Rössler ist ein bisschen besser als der Landesdurchschnitt. Das ist aber trotzdem nicht schön und bei dem SPD-Ergebnis hätten wir uns natürlich mehr erwartet und uns Hoffnung gemacht. Wir haben in den letzten zwölf Monaten Wahlkampf geführt. Die Kandidaten hatten über 200 Termine. Wenn man dann so ein Ergebnis sieht, dann macht das eher traurig. Man braucht ein paar Tage Bedenkzeit, sicherlich auch die Kandidaten. Dann geht aber der Blick nach vorn, weil den Kopf in den Sand zu stecken hilft auch nichts.
OT: Wie kommt es dazu, dass die SPD in Bayern so ein Ergebnis eingefahren hat?
De Lapuente: Naja, es hat schon einen kräftigen Rechtsruck gegeben. Das zeigt das Ergebnis der AfD, nicht nur in Bayern. Themen wie Solidarität, Mindestlohn, Entlastung der Menschen in der schwierigen Coronazeit, aber auch in der Kriegskrise, haben nicht das gebracht, was wir uns erhofft haben. Es wirkte das Thema Zuwanderung, durch schüren von Ängsten durch Parteien. Deswegen dieser Rechtsruck, auch in Bayern.
OT: Hat die Bayern-SPD Fehler gemacht im Wahlkampf?
De Lapuente: Man müsste wahrscheinlich auf die gleichen Themen springen, wie die Parteien, die sich an der Zuwanderung abarbeiten. Wir als SPD haben einen breiten Fächer von Politik, die für die Menschen auch etwas bewirkt. Das Thema Arbeit, das Thema Wohnen, aber anscheinend haben diese Themen nicht gezogen. Wenn man von einem Fehler sprechen könnte, dann setzen wir wahrscheinlich auf die falschen Themen. Die Menschen haben das Thema Wohnen irgendwo ganz weit unten in der Priorität. Wir setzten auf das Thema Wohnen, weil wir es wichtig finden. Wir setzen auf das Thema Arbeit, weil wir es wichtig finden. Dieses Augenmerk haben die Wählerinnen und Wähler aber bei dieser Wahl nicht gezeigt.
OT: Was muss die SPD machen, um wieder bessere Ergebnisse zu erzielen?
De Lapuente: Ich glaube, wenn ich meine Gewerkschaftsbrille aufsetze, das wir doch auf die richtigen Themen setzen. Vielleicht zeigt das Ergebnis, dass es Ingolstadt wirtschaftlich immer noch sehr gut geht. Den Menschen geht es hier sehr, sehr gut, sie sagen aber nicht, vielleicht geht es uns so gut, weil die Politik gute Rahmenbedingungen schafft. Sie weichen durch diesen Rechtsruck aus, auf eine Partei, die sich mit noch mit keinem einzigen Landes- oder Bundesthema verwirklicht hat, sondern es nur mit Sprachparolen schafft, die Menschen für sich zu begeistern. Sie haben noch mit keiner Sachpolitik bewiesen, dass sie es besser können. Ich glaube, Ingolstadt geht es wirtschaftlich so gut, weil Parteien dies auf Bundesebene, aber auch auf Landesebene der Mehrheit der Menschen ermöglicht. Die Wertschätzung zeigt sich nicht immer bei der Wahl. Vielleicht ist es alles normal und vielleicht sehen es die Menschen es als normal an, wie es uns geht.
OT: Hat die Ampel und die Streiterei in der Ampel der SPD den bayerischen Wahlkampf verhagelt?
De Lapuente: Naja, das könnte man sicherlich so betrachten. Wenn man aber sieht, wie auf die Grünen geschimpft wird, dann zeigt sich das beim Ergebnis der Grünen nicht wirklich so. Die haben fast doppelt so viel wie wir, in Prozenten. Das heißt, die Grünenwähler sind treuer geblieben, wie die der SPD. Ich glaube schon, dass das natürlich ein Thema ist. Ich finde die Bundespolitik, aus Arbeitnehmerinnen- und Arbeitnehmersicht gut. Man merkt es immer, wenn man die wirtschaftlichen Zahlen betrachtet, dass auch durch die schwersten Jahre, durch Corona und durch die Kriegs- und Energiekrise, 80 bis 90 Prozent der Menschen sehr, sehr gut geht. Dass die Politik hier kommunal auch ankommt. Trotzdem zeigt sich, dass die Menschen das aber anders sehen, wie wir das betrachten.
OT: War das eine Protestwahl oder verfestigt sich die AfD in der Wählerschaft?
De Lapuente: Naja, das wird sich zeigen. Wenn man aus der Geschichte lernen möchte, haben oft Menschen Protest gewählt und haben auf einmal gesehen, was aus Protest passieren kann. Das wollen wir eben nicht. Ein Rechtsruck in einem Land kann etwas bringen, was man sich vielleicht gar nicht erwartet. Wenn man Protest wählt, sollte man zumindest auf Parteien setzen, die demokratisch in ihrem Umgang sind. Wenn ich die AfD-Kundgebung der letzten Woche betrachte, welche Wörter da gefallen sind, dann schreckt mich das eher ab. Vielleicht ist manchen gar nicht so bewusst, was sie wählen. Sie beabsichtigen Protest auszuüben und wählen die AfD. Ich glaube, das ist keine Alternative für ein demokratisches Zusammenleben.
OT: Was bedeutet das AfD-Ergebnis im Nordwesten für die künftige Kommunalpolitik in Ingolstadt?
De Lapuente: Im Nordwesten ist das AfD-Ergebnis sehr hoch, 30 Prozent. Dort wohnen Menschen, die vielleicht einkommensschwächer sind, die im sozialen Bereich vielleicht nicht so gut ausgestattet sind, aufgrund ihrer Biografie ein erschwertes Leben haben und vielleicht deswegen Protest ausüben. Wir haben einen hohen Migrationsanteil auch im Bereich des Piusviertels. Vielleicht ist das dann ausschlaggebend AfD zu wählen. Wir haben aber auch in Ingolstadt den Westen, wo eher der Häuslebauer lebt, der ein gutes Einkommen hat, wo Menschen wohnen, die mehr Geld haben. Trotzdem gibt es in manchen Stimmenkreisen ein AfD-Ergebnis von über 20 Prozent. Beides ist für mich erschreckend.
OT: Was für Konsequenzen ziehen Sie daraus kommunalpolitisch, um nicht auch den Kommunalwahlkampf 2026 von der AfD verhagelt zu bekommen?
De Lapuente: Kommunalwahlen haben natürlich immer ihre eigenen Gesetze. Man wählt persönlicher Menschen, die kandidieren. Ich glaube, dass man die Kommunalwahl nicht vergleichen kann mit einer Land- und Bundestagswahl. Trotzdem ist es erschreckend. Wir müssen viel mehr kommunizieren. Wir können ja nicht immer sagen, als Kommunalpolitiker, das ist alles Landes- oder Bundesebene, das kommt hier unten nicht an. Die Menschen betrifft nicht allein der Zebrastreifen vor der Haustür, sondern logischerweise auch die Bundespolitik. Wir müssen es schaffen, die Menschen bei diesen Themen mitzunehmen. Wie zuvor erwähnt, ich finde, dass die Bundespolitik viel Gutes macht. Auch in der Landespolitik gibt es viele gute Schritte, aber es hilft halt nichts, wenn es bei den Menschen nicht geschätzt, nicht anerkannt und vielleicht gar nicht kommuniziert wird.
OT: Bekommen Sie nicht Angst, mit Blick auf die nächste Landtagswahl, wenn Sie wissen, es gibt eine 5%-Hürde?
De Lapuente: Naja, die Sicht ist nicht immer nur nach unten, sondern man will ja auch da wieder mal hinkommen, wo man mal war. Die SPD hat bei 20% schon gesagt, naja, tiefer kann man nicht fallen. Ja, jetzt sind wir bei 8 Prozent. Der Blick nach oben sollte sicherlich für eine Partei, die sturmerprobt ist, die es über 100 Jahre gibt, gelten. Die SPD hat bewiesen, dass sie nicht auf Züge aufspringt, die gerade attraktiv sind, wie das Thema Asyl, wo man gerade die Menschen mitnehmen könnte. Die SPD macht Sachpolitik in allen Bereichen. Ich glaube, die SPD muss das jetzt überleben und überstehen und dann gibt es auch den Blick wieder nach oben.
Anmerkung der Redaktion: Das Interview wurde am 9. Oktober 2023 aufgezeichnet.