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Kammerspiele an der Donau – Ein „Akt der Piraterie“

Kammerspiele an der Donau – Ein „Akt der Piraterie“

Von Thomas Thöne

Eine Stunde und 40 Minuten dauerte die Diskussion im Planungsausschuss des Ingolstädter Stadtrates zur Idee von Bürgermeister Mißlbeck und Architekt Peter Bachschuster zu den „Kammerspielen an der Donau“ den der Bürgermeister (UDI) jüngst über die örtliche Tageszeitung der Öffentlichkeit und damit auch dem Stadtrat präsentiert hatte. Wie wichtig das Thema für den Stadtrat im Ganzen ist, wurde schon daran deutlich, dass viele Stadträte in der Ausschusssitzung anwesend waren, die gar nicht Mitglieder des Ausschusses sind.

Zunächst einmal wurde Mißlbeck, vom Oberbürgermeister, die Möglichkeit einer langen und ausführlichen Stellungnahme gegeben, die dieser in vorbereiteter Schriftform darlegte. Dabei wiederholte Mißlbeck viele seiner Argumente, die er jüngst schon auf Facebook vorgetragen hatte (Kammerspiele am Donauufer- Bürgermeister Sepp Mißlbeck bezieht Stellung). Er schloss seine Ausführungen mit den Worten „Ich bin ein überzeugter Befürworter der Kammerspiele, die sicherlich kommen werden. Ich glaube aber nicht an den festgelegten Standort, aufgrund der noch nicht genannten Kosten und ich unterstütze den Bürgerwunsch, die Stadt an die Donau zu bringen. Als alter Ingolstädter Bürger wünsche ich mir und den Verantwortlichen in den Gremien und natürlich auch der breit gefächerten Bürgerschaft, die Bereitschaft zum Überdenken und auch Umdenken und stelle uns allen die Frage: Was ist nach dem Krieg, außer dem Hämer-Kultbau-Stadttheater, an neuer Architektur entstanden, auf die wir stolz sein können?“ Zuvor forderte Mißlbeck einen Stopp des jetzigen Projekts Kammerspiele in der Stadtratssitzung am 25. Juli zu beschließen, um somit ein Jahr für die weittragende Entscheidung zu gewinnen. Diesen Vorschlag nannte der Bürgermeister einen „revolutionären Gedanken“. Entschieden wies Mißlbeck Anwürfe zurück, er würde mit der von ihm vorgetragenen Idee nur Wahlkampf machen wollen.

Im Anschluss an Mißlbeck machte Stadtbaurätin, Renate Preßlein-Lehle, mit einem Folienvortrag, den langen Weg des Entscheidungsprozesses, seit dem Jahr 2017 deutlich. Sie verwies dabei auf die bisherigen Stadtratsbeschlüsse und auch auf die durchgeführte Bürgerbeteiligung. Für die Stadtbaurätin ist „nicht zu erkennen, dass der Mißlbeck-Vorschlag funktionieren könne". Dieser spreche „zwar die Emotionen in der Bevölkerung an, die vorliegende Darstellung berücksichtige aber in keiner Weise das Innenleben und die Akustik der Kammerspiele“.  Preßlein-Lehle schätzte die Kosten für die Umsetzung des vorliegenden Vorschlages auf etwa 100 Millionen Euro. Sie verwies ferner darauf, dass gerade im Wettbewerb darauf geachtet werden musste, dass sich die Kammerspiele dem vorhandenen Gebäude des Stadttheaters unterordnen müsse. Dies sei bei dem vorgelegten Vorschlag nicht der Fall. Die Stadtbaurätin zeigte sich überzeugt, dass es auch durchaus andere Möglichkeiten und Maßnahmen geben würde, die Donau erlebbar zu machen und einen neuen Stadtraum zu bilden.

Die rechtliche Risiken, den Wettbewerb jetzt zu unterbrechen und sich dem Vorschlag von Peter Bachschuster zuzuwenden, wurde von der Rechtsanwaltskanzlei Kraus, Sienz & Partner ausführlich beschrieben, die auf Bau- und Vergaberecht spezialisiert ist. Hier wurde dargelegt, dass es im durchgeführten Wettbewerb ein Auftragsversprechen gegeben habe, einen der Wettbewerbssieger zu beauftragen, soweit kein anderer wichtiger Grund vorliege. Als wichtiger Grund würden beispielsweise wirtschaftliche Gründe gelten, wenn man deshalb den Bau nicht erstellen wolle. Im jetzigen Verfahren sei kein Ausnahmetatbestand erkennbar, dieses zu unterbrechen. Es könnten Unterlassungsansprüche der Wettbewerbssieger entstehen, aber auch Schadensersatzansprüche. Bei einer derartigen Entscheidung des Stadtrates könne es sogar passieren, dass die Vergabekammer, einen Stopp verhänge.

Oberbürgermeister Christian Lösel berichtete aus dem Gestaltungsbeirat. Dieser habe zum Vorschlag „Kammerspiele an der Donau“ ausdrücklich „seine Missbilligung ausgesprochen“. Es sei eine „Störung des Verfahrens“. Der Aufsichtsrat der INKoBau hatte sich ebenfalls mit der Thematik befasst und beschlossen am jetzigen Verfahren festzuhalten.
Lösel führte aus, viele Bürger hätten sich, wegen des Themas „Stadt an der Donau“ auf unterschiedlichen Wegen an ihn gewandt, was er sehr begrüße. „Wir müssen überlegen, wie wir die Sehnsucht der Bürger, die Stadt näher an die Donau zu bringen, erfüllen können. Lösel schlug dazu Bürgerbeteiligung, einen Ideenwettbewerb und möglicherweise einen Gestaltungswettbewerb vor, um dieses „Naturerlebnis zu ermöglichen“. Als Vorbild für ein Beteiligungsverfahren nannte der Oberbürgermeister den Umbau der Fußgängerzone. Lösel verwies auf verschiedene Einzelmaßnahmen, die schon durchgeführt worden seien, um die Stadt näher an die Donau zu bringen, zeigte sich aber überzeugt, dass „jedoch noch mehr möglich ist“.

Nach den zuvor genannten Rednern und deren sehr sachlichen Tatsachendarstellungen ging es in die politische Debatte, die von Stadtrat Hans Achhammer (CSU), eröffnet wurde. Dieser führte aus, „Bürgermeister Mißlbeck hat uns keinen Gefallen getan mit seinem Vorschlag, besonders dem Theater nicht. Sie suggerieren etwas, was schön aussieht, aber nicht möglich ist“. Mit der Aussage, Mißlbeck „habe die gelbe Karte wegen Grätschen verdient und die rote Karte wegen Zeitspiel“, brachte der Christsoziale erstmals Schärfe, in die bis dahin sehr sachliche Sitzung.

Stadtrat Manfred Schuhmann (SPD) setzte dem noch eins drauf und nannte Mißlbecks Vorgehen einen „Akt der Piraterie“. Der Sozialdemokrat verwies darauf, dass seit zehn Jahren klar sei, dass der Hämerbau saniert werden müsse, dabei verwies er, wie zuvor die Stadtbaurätin, auf das lange Verfahren, das bis jetzt durchgeführt worden sei. Schuhmann polterte es sei „das falsche Objekt, was jetzt vorgestellt wurde. Es braucht kein kleines Haus, das haben Mißlbeck und Bachschuster nicht verstanden“. Massiv kritisierte Schuhmann, dass der Vorschlag über die Presse präsentiert worden sei und nicht zuerst im Stadtrat. Weiter führte er aus, dass aus seiner Sicht eine Befassung mit der Thematik in der heutigen Sitzung überhaupt nicht notwendig gewesen wäre. Er forderte den Stadtrat auf, den eingeschlagenen Weg fortzusetzen.

Wesentlich sachlicher wurde es wieder bei der Wortmeldung von Stadtrat Christoph Lauer (Grüne), der sich zunächst für den Vorschlag bei Mißlbeck und Bachschuster bedankte. Er sehe die Motivation des Bürgermeisters, diesen Vorschlag unterbreitet zu haben, in seiner Verbundenheit mit der Stadt Ingolstadt, dabei habe der Bürgermeister Gefühle aufgegriffen, die in der Stadt vorhanden seien. Lauer bedauerte, dass der Entwurf jetzt erst vorgelegt wurde und nicht in das durchgeführte Verfahren eingegangen ist. Der Grüne verwies darauf, dass es Mißlbecks demokratisches Recht sei, einen derartigen Vorschlag zu unterbreiten. Der vorliegende Vorschlag sei aber keine reelle Option, da er die Rahmenbedingungen des Wettbewerbs nicht erfüllen würde, an die sich alle anderen Wettbewerbsteilnehmer haben halten müssen. Eine Verschiebung der Entscheidung an den nächsten Stadtrat sei ebenfalls keine Option. Dieser Stadtrat trage Verantwortung und dieser Verantwortung müsse er auch mit einer Entscheidung gerecht werden.

Stadtrat Christian Lange (BGI) betonte, dass es schon im Sinne der Transparenz wichtig sei, dass im Planungsausschuss die Diskussion jetzt geführt werde. Einen Vorschlag, wie Mißlbeck ihn unterbreitet habe, könne man nicht einfach vom Tisch wischen, mit diesem müsse man sich inhaltlich befassen. Für seinen Vorschlag habe der Bürgermeister auch keinesfalls eine gelb-rote Karte verdient. Im Ergebnis könne die Bürgergemeinschaft dem Vorschlag von Mißlbeck jedoch nicht folgen, da dieser ein Jahr Verzögerung bedeuten würde. Hierzu sage die BGI deutlich „Nein“, da das Theater Gewissheit brauche.

Stadträtin Dorothea Soffner (UDI) machte deutlich, dass der Bürgermeister mit seinem Vorschlag den Nerv der Bevölkerung getroffen habe und er ein Recht habe, einen solchen Vorschlag auch in der Öffentlichkeit zu präsentieren. „Wir haben uns, was die Donau angeht, im Stadtrat nicht mit Ruhm bekleckert“ äußerte sich Soffner selbstkritisch. Deutlich verurteilte und missbilligte sie die persönlichen Angriffe auf den Bürgermeister, denen er wegen seines Vorschlages und der Präsentation über die Tageszeitung ausgesetzt sei.

Stadtrat Peter Springl (Freie Wähler) sieht in dem Vorgehen von Bachschuster ein unkollegiales Verhalten gegenüber anderen Architekten und verwies dabei auf deren Berufsordnung. Ziel müsse es jetzt sein, so Springl, alles zu versuchen, um die Betriebserlaubnis für das Stadttheater nach dem Jahr 2022 zu erhalten, die derzeit aus Brandschutzgründen begrenzt sei. Die Freien Wähler erteilten dem Mißlbeck-Vorschlag ebenfalls eine Absage.

Oberbürgermeister Lösel verwies darauf, dass bereits jetzt Maßnahmen ergriffen worden sind, um die Betriebserlaubnis verlängern zu können.

Laut Kulturreferent Gabriel Englert sei schon ein Gutachter für Brandschutz beauftragt, zu prüfen, was noch getan werden müsse, um die Betriebserlaubnis zu verlängern. Zur Diskussion, um des Bürgermeisters Vorschlag, verwies der Kulturreferent darauf das „alle Südanbauten, an das Stadttheater, aus Urheberrechtsgründen scheitern“, darauf hatte auch Stadtrat Lange hingewiesen.

Am Ende der langen Aussprache mit noch weiteren Wortmeldungen, erteilte der Oberbürgermeister abschließend seinem Bürgermeisterkollegen, Sepp Mißlbeck, nochmals das Wort. Dieser bekannte, er habe keine positive Entscheidung des Stadtrates erwartet. Er fühle sich aber auch nach der langen Diskussion nicht an den Pranger gestellt. Eine Spitze konnte er sich jedoch nicht verkneifen. Sie galt FDP- Stadtrat Karl Ettinger, der dem Bürgermeister zum wiederholten Male vorwarf, er würde mit seinem vorgestellten Entwurf lediglich Wahlkampf machen. „Ich bin in einem Alter, in dem ich den Wahlkampf, den Sie führen, Herr Ettinger, nicht mehr notwendig habe“, konterte Mißlbeck geschickt. „Ich gehe nicht zermürbt aus der Sitzung“, meinte der Bürgermeister. Er habe wenigstens einen Anstoß gegeben, auch dem Oberbürgermeister, nachzudenken über das Thema „Stadt an der Donau“, somit „habe sich der Nachmittag gelohnt.“

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