Kammerspiele - Augen zu und durch?
(ot) Der Ingolstädter Kulturreferent Gabriel Engert wurde in einer Medienberichterstattung zum Stadtort der geplanten Ingolstädter Kammerspiele mit den Worten zitiert: "Es gibt kein Zurück mehr", auch im Hinblick auf eine Vielzahl von Änderungsanträgen aus den politischen Gruppierungen und Parteien. Aus diesem Anlass befasst sich die "Frage der Woche" bei O-T(h)öne abermals mit den Kammerspielen. Dies auch vor dem Hintergrund, dass in Teilen der Stadtbevölkerung, aufgrund Engerts Aussage und der einstimmigen Beschlusslage im Kulturausschuss, der Eindruck entstanden ist, es sei schon alles entschieden und der Stadtrat verfahre nach dem Motto "Augen zu und durch", wie beim Museum für Konkrete Kunst und Design.
Die "Frage der Woche" bei O-T(h)öne lautet:
"Eine Vielzahl von Anträgen und Änderungsanträgen wurde zum Thema Kammerspiele" von den politischen Gruppierungen und Parteien im Ingolstädter Stadtrat gestellt. Diese wurden in der jüngsten Sitzung des Kulturausschusses allerdings nicht behandelt, sondern zurückgestellt. Es wurde einstimmig beschlossen, die bisherigen Planungen zum Neubau, neben dem Stadttheater, weiterzuverfolgen. Bedeutet dies nun für die Kammerspiele, am vorgesehenen Standort, zu verfahren nach dem Motto. "Augen zu und durch"?
Aus dem Ingolstädter Stadtrat wurden die Fraktionen und Gruppierungen von CSU, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, Freie Wähler, UWG, LINKE, ÖDP und die Ausschussgemeinschaft FDP/JU am 11. Juli 2021 um eine Antwort gebeten. Nachfolgend die ungekürzten und nicht redigierten Antworten, die O-T(h)öne erreicht haben:
Hans Stachel, Fraktionsvorsitzender der FREIEN WÄHLER:
Die Beschlusslage zu den Kammerspielen ist aus Sicht der Freien Wähler völlig eindeutig: Die Machbarkeit muss genau und fundiert geklärt werden, das gilt auch für die zu erwartenden Kosten. Dazu ist es erforderlich, tiefer in die Planungen einzusteigen – nicht mehr und nicht weniger. Ein Ja zum Bau der Kammerspiele an diesem Standort ist das aber keineswegs, schon allein deswegen nicht, weil dem Stadtrat bisher keine belastbaren Zahlen und Fakten zur Entscheidung vorgelegt wurden. Aussagen wie „nun gibt es kein Zurück mehr“ erwecken einen falschen Anschein. Es sind alle Optionen offen – es ist noch nichts entschieden. Im Übrigen haben Aussagen aus dem Kulturreferat oder dem Theater zu technischen und finanziellen Fragen letztlich wenig Bedeutung, da weder Kulturreferat noch Theaterintendanz über die erforderliche Sachkompetenz verfügen. Wer jetzt nach dem Motto vorgeht „Augen zu und durch“, der begeht den gleichen Fehler wie beim Museum für Konkrete Kunst und Design (MKKD). Vielmehr sollte es jetzt darum gehen, Augen und Ohren offen zu halten und das Hirn einzuschalten.
Wir Freien Wähler sind für sachliche Klärung immer offen, weisen aber bereits seit über einem Jahr mit Nachdruck darauf hin, dass der jetzige Standort wegen zahlreicher Risiken und Problemen ungeeignet ist. Wir würden es sehr begrüßen, wenn Ingenieure und Techniker, die aus der Zeit des Tiefgaragenbaus einiges zu sagen hätten, tatsächlich in den entsprechenden Stadtratsgremien gehört werden würden. Den Vorwurf, beim des MKKD hätten man ja vorher nur die Historiker fragen müssen, sollten sich Stadtrat und Oberbürgermeister nicht noch einmal machen lassen müssen. In diesem Fall ist es glücklicherweise so, dass keine Historiker bemüht werden müssen, sondern Fachleute aus der Zeit des Tiefgaragenbaus gefragt werden können. Diese Chance darf nicht ungenutzt bleiben.
Christoph Spaeth, Stadtrat von BÜNDNIS90/DIE GRÜNEN:
Die GRÜNEN Ingolstadt halten unabhängig von zahlreichen Anträgen am Standort und an der raschen Umsetzung des geplanten Baus an der Schutterstrasse fest. Seit fast zehn Jahren wird nach einer adäquaten Ersatzspielstätte für das kleine Haus und einer vorübergehenden Lösung für die Theatersanierung gesucht. Erste Planungen am Klenzepark wurden wieder verworfen. Für die jetzt geplante Spielstätte gab es seit vier Jahren positive Stadtratsentscheide und eine große Bürgerbeteiligung. Nun wird von mehreren Seiten aus verschiedensten Gründen versucht das Projekt scheitern zu lassen. Es scheint den Kritikern nur darum zu gehen, die Kammerspiele ganz zu beerdigen, anstatt an einer konstruktiven Lösung zu arbeiten.
Gerade die Kunst- und Kulturschaffenden haben in den letzten 16 Monaten massiv unter den Corona-Beschränkungen gelitten. Die Kammerspiele sind ein Zeichen für die Weiter- und Wiederentwicklung der Kunst und Kultur in Ingolstadt nach der Corona-Pandemie und eine nachhaltige Investition für eine breit aufgestellte Theaterlandschaft in unserer Stadt.
Der Vergleich mit dem MKKD ist unseriös und entbehrt jeder Grundlage. Im Gegensatz zum MKKD ist der Untergrund der geplanten Kammerspiele bestens bekannt. Eine Kostenmehrung bei den Kammerspielen kann man sicher nicht ausschließen, jedoch braucht es hierfür Fachleute und nicht den berüchtigten Bierdeckel. Es findet sich zu jedem Bau-, Strassen- und Investitionsprojekt in unserer Stadt ein schlechtes Beispiel. Dies hat die Stadträte in der Vergangenheit nicht davon abgehalten neue Projekte zu beschliessen.
Die Diskussion um wegfallende Parkplätze und die Attraktivität einer Tiefgarage offenbart in Zeiten von Klimaschutz und drohender Klimakatastrophe das rückwärtsgewandte Denken Einzelner. Ebenso vermeintliche Rettungsaktionen von Bäumen, wobei man zeitgleich Umweltschutzprojekte aus Spargründen ablehnt.
Zum Abschluss zu den Standortdiskussionen: in den letzten zehn Jahren war viel Zeit sich über Standorte Gedanken zu machen. Wenn das Verfahren nun wieder neu aufgerollt wird, so vergehen sicher nochmals zehn Jahre, bis die Kammerspiele - mutmaßlich dann doch an der Schutterstrasse - gebaut werden können. Bis dahin wird die Sanierung des Stadttheaters abgeschlossen und der Kulturlandschaft Ingolstadts ein großer Schaden entstanden sein.
Manfred Schuhmann, Stadtrat der SPD:
Ich bin davon überzeugt, dass Parteiübergreifend keiner die Meinung vertritt „Augen zu und durch“, was auch die Vielzahl der Anträge zu dieser Thematik beweist. Auch die SPD-Fraktion hat einen Antrag eingebracht, in dem sie die Verwaltung bittet alle Alternativen zu den bisher geplanten Vorhaben noch einmal zu prüfen.
In Anbetracht der aktuellen Diskussionen halte ich es für wichtig darzulegen, dass es sich bei dem Bau der Kammerspiele nicht um ein Prestigeobjekt der Stadt handelt, sondern um eine dringend benötigte Ersatzspielstätte. Seit Jahren ist bekannt, dass unser Stadttheater renoviert werden muss. Für diesen Zeitraum braucht es einen Ausweichspielort. Nach den Renovierungsarbeiten soll in dem Gebäude das „Kleine Haus“ und das „Kinder- und Jugendtheater“ eine Heimat finden. Ebenso wichtig ist es zu erwähnen, dass es im Vorfeld der Planungen eine Bürgerbeteiligung mit workshops gab. Diese kann sowie weitere Informationen auf der Internetseite der Stadt unter https://www.ingolstadt.de/Kultur/Theater-Film/Projekt-Kammerspiele/ eingesehen werden.
Im Juni 2020 gab nun der Stadtrat, mit nur einer Gegenstimme, den Planungsstart in Auftrag. In dem Beschluss war auch enthalten, dass eine gründliche Prüfung durchgeführt werden soll, um die Sicherheit der Planung zu erhöhen. Derzeit befinden wir uns in der Vorentwurfsplanung, in der verschiedenen Untersuchungen von Fachleuten, wie Brandschutzersteller- und -prüfer, hoheitliche Prüfingenieure für Tragwerk und Geotechnik oder Baulogistiker, durchgeführt werden. Erst wenn die Ergebnisse dieser sogenannten Leistungsphase 2 vorliegen, können weitere Entscheidungen getroffen werden. Aber wie auch immer das Gutachten lautet - klar ist – wir brauchen eine Ersatzspielstätte.
Das Ingolstädter Theater ist das Herz der Stadt. Viele Schanzerinnen und Schanzer besuchen die vielfältigen Veranstaltungen im sog. Hämerbau, ob Theater, Popkonzert oder Kabarett. Die Ingolstädter schätzen ihr Theater. Wir möchten nicht, dass sie auf dieses kulturelle Angebot auf Jahre verzichten müssen und wünschen uns deswegen eine nachhaltige Lösung für Ingolstadt. Ob diese an dem Standort möglich ist, werden die Ergebnisse der laufenden Untersuchungen uns hoffentlich zeigen.
Alfred Grob, Fraktionsvorsitzender der CSU:
Von „Augen zu und durch“ kann keine Rede sein, wir haben hier ein deutlich anderes Verständnis von Verantwortung. In den vorberatenden Ausschüssen haben wir der bisherigen Vorgehensweise zugestimmt. Es wäre nicht richtig und verantwortbar, die Planungen zu den Kammerspielen in Gänze über den Haufen zu werfen – auch und gerade im Hinblick auf die dringend notwendige Sanierung des Stadttheaters. Trotzdem sei angemerkt, dass es von der CSU-Fraktion immer schon kritische Stimmen zum derzeit vorgesehenen Standort der Kammerspiele auf der Theater Tiefgarage West gab und gibt.
Der Standort Klenzepark stellt für meine Fraktion nach wie vor eine sehr probate Alternative dar. Wir haben vor wenigen Tagen dem Vorschlag der Verwaltung nur zugestimmt, weil die Prüfung des Standorts Klenzepark mit dem Zusatz „vorerst“ nicht weiterverfolgt werden soll - mehr war derzeit im zuständigen Ausschuss realistisch nicht zu erreichen.
Wir werden die von Herrn Fall zugesagten Ergebnisse der geologischen und statischen Prüfverfahren abwarten, kritisch baufachlich und damit auch kostentechnisch prüfen und hinterfragen. Erst dann kann einer Standortentscheidung näher gerückt werden - falls erforderlich, bringen wir nochmal den Alternativstandort ins Spiel.
Aus meiner Sicht wären eine parallele Planung und Vorbereitung beider Standorte besser und verantwortlicher gewesen, um keine Zeit zu verlieren, sollte sich einer der beiden als nicht machbar erweisen, sei es aus statischen, geologischen oder schlicht finanziellen Gesichtspunkten. Alternativlos Politik zu machen, ist immer hoch riskant. Ich habe, soviel sei erwähnt, bei wichtigen Vertretern des Freistaats Vorabklärungen eingeholt, was die Eigentumsverhältnisse am Standort Klenzepark, die erforderliche Verlegung der ohnehin maroden Depothallen des Armeemuseums an einen anderen Standort betrifft und einiges mehr. Um es vorweg zu nehmen, es gibt kein schwerwiegendes Argument oder Ausschlusskriterium gegen den Standort Klenzepark, Vieles aber spricht dafür.
Wir haben intensive Gespräche mit den Projektleitern und Bauverantwortlichen der Theater Tiefgarage West geführt, die uns aus Ihrer Warte klar aufgezeigt haben, warum von dem jetzigen Standort Abstand genommen werden sollte oder gar müsse. In einer von der Geschäftsführung der INKOBau GmbH für den Herbst zugesagten, öffentlichen Info-Veranstaltung können sich interessierte Bürgerinnen und Bürger selbst ein Bild davon machen und dabei ihr eigenes Urteil bilden. Nicht nur die Planer der Kammerspiele, sondern auch der damalige Projektleiter für den Bau der Theater Tiefgarage West, ein Ingolstädter mit großer internationaler Bauprojekterfahrung, wird dann Rede und Antwort stehen.
Erst wenn sämtliche unabhängige Gutachten, die wir und andere Fraktionen angestrengt haben, vorliegen, gerade auch das der Landesgewerbeanstalt, wenn alle Zweifel, Unwägbarkeiten und Risiken ausgeräumt sind, wenn die Planungssicherheit der Projektkosten durch die Projektleiter zugesichert werden, können wir dem Standort zustimmen.
Veronika Hagn, Stadträtin der Ausschussgemeinschaft JU/FDP:
Im letzten Kulturausschuss wurde von den Mitgliedern einstimmig beschlossen, die bisherigen Planungen zum Neubau der Kammerspiele am Standort Schutterstraße weiterzuverfolgen und etwaige Alternativen zumindest zum aktuellen Zeitpunkt nicht erneut zu prüfen. Dies hat nichts mit „Augen zu und durch“ zu tun, ganz im Gegenteil.
Um zu verhindern, dass wir beim Bau der Kammerspiele ebenfalls an einen Punkt gelangen, an dem wir aufgrund unerwartet auftretender Probleme auf der Baustelle erheblichen Kostenmehrungen zustimmen müssen und es „kein Zurück“ mehr gibt, ist es unerlässlich, dass bereits die Vorplanung so fundiert und umfangreich wie nur möglich durchgeführt werden.
Deshalb auch an dieser Stelle wieder unsere Forderung: Lasst die INKoBau ihre Vorplanungen beenden. Erst dann haben wir neue und belastbare Erkenntnisse, auf deren Grundlage eine endgültige Entscheidung zum Bau und zum Standort der Kammerspiele getroffen werden kann.
Bis dahin stehen wir uneingeschränkt zu unserer Zustimmung zur Vorprojektgenehmigung vom letzten Sommer und sind gegen die Aufwendung weiterer Kosten und Ressourcen für die parallele Prüfung von Alternativen.
Nicht vergessen werden darf zudem, dass neben dem Standort Schutterstraße auch alternative Standorte, wie der Klenzepark geprüft wurden. Damals wurde sich auf den Bereich rund um das Theater geeinigt und im Rahmen des durchgeführten Wettbewerbs hat der Entwurf an der Schutterstaße gewonnen. Und dies aus vielerlei guten Gründen. So besteht hier eine große städtebauliche Chance und der Standort kann wesentlich zur Innenstadtbelebung beitragen.
Raimund Köstler, Sprecher der Stadtratsgruppe der ÖDP:
Um gute Entscheidungen treffen zu können, braucht man die richtigen Informationen und Alternativen. Deshalb ist es richtig und wichtig die aktuellen Planungen bis zur Entscheidungsreife weiterzuführen.
Was allerdings nicht in Ordnung ist, ist die konsequente Ablehnung von Alternativen. Wenn wir hier warten, bis im Dezember die Ergebnisse der aktuellen Planung vorliegen, werden wir nicht entscheidungsfähig sein und mindestens ein halbes Jahr verschwendet haben.
Wie teuer werden die Kammerspiele, wissen wir dann, aber wären Alternativen billiger? Und wollen die Bürgerinnen und Bürger die Kammerspiele zu diesem Preis an diesem Standort noch?
Christian Pauling, Stadtratsgruppe DIE LINKE:
Der aktuelle Standort der Kammerspiele macht zwar aus stadtplanerischen Gesichtspunkten für mich Sinn, genauso wie aus Effizienz und Prestige Überlegungen. Jedoch halten wir ihn in Anbetracht des heutigen Zeitgeistes für antiquiert. 2021 im Angesicht des Klimawandels einen Park zu fällen, unter massiven Einsatz von stützendem Stahlbeton und statisch hoch riskant auf einer frisch sanierten Tiefgarage zu bauen, erschließt sich uns Linke nach wie vor nicht. Deswegen eruieren wir parteiintern nach wie vor Alternativen.
Christian Lange, Vorsitzender der UWG-Stadtratsfraktion
Wenn bei einer so weit reichenden Entscheidung, die das Gesicht der Ingolstädter Innenstadt aus städtebaulicher Sicht auf Jahrzehnte gravierend verändert und die aus finanzpolitischer und baulicher Sicht enorme Risiken birgt, eine Vertagung der Anträge stattfindet, dann finde ich genau dieses Vorgehen richtig.
Die Interpretation, dass das jetzt eine "Augen zu und durch"-Politik sei, wie diese Frage suggeriert, ist grundlegend falsch. Vielmehr ist es Ausdruck einer verantwortlichen und ehrlichen sowie transparenten Kommunalpolitik: Wir geben Planern, Architekten und der INKoBau Zeit, um unsere Bedenken zu berücksichtigen, unsere Fragen zu beantworten und mit dem Stadtrat eine vernünftige Risikoanalyse durchzuführen. Die Entscheidung für den Bau der Kammerspiele fällt nach einer langen und zähen Planungs- und Prüfungsphase im Dezember 2021 und nach derzeitigem Stand kann ich mir vorstellen, dass eine Mehrheit des Stadtrats die Genehmigung nicht erteilen wird. Aber das ist Kaffeesatzleserei und die war ja zum Glück nicht gefragt.