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„Erstmals wieder die INVG-Fahrgastzahlen aus dem Jahr 2000 übertroffen“ – Ein Grund zur Freude und zum Feiern?

„Erstmals wieder die INVG-Fahrgastzahlen aus dem Jahr 2000 übertroffen“ – Ein Grund zur Freude und zum Feiern?

Von Thomas Thöne

Die INVG-Fahrgastzahlen in 2019 verzeichnen ein Plus von 3,1%. Mit 57.383 Einsteigern an Werktagen konnte ein neuer Höchstwert markiert werden. Oberbürgermeister und INVG Aufsichtsratsvorsitzender, Dr. Christian Löse,l sieht den langjährigen Kurs zur Stärkung des ÖPNV bestätigt: „Ein Fahrgastplus von 3,1 Prozent ist ein hervorragendes Ergebnis für den ÖPNV in Ingolstadt und zeigt, dass die Fahrgäste unser Angebot annehmen.“

O-T(h)öne hat sich im Ingolstädter Stadtrat einmal umgehört, wie Fraktionen und Gruppierungen diese die Entwicklung im Öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) beurteilen.

Petra Kleine, Fraktionsvorsitzende, GRÜNE

2001 betrug der Anteil der Busnutzungen am Verkehr 9%. 2016 waren es nur noch 7,4% (neuere Zahlen liegen nicht vor). Zum Vergleich: Großstädte in Deitschlang zeigen im bundesweite Vergleich einen ÖPNV-Anteil von mindestens 10%, Metroplen wie München sogar 24 % - Ingolstadt hat also ersteinmal großen Nachholbedarf, um überhaupt auf das Niveau zu kommen, das schon einmal möglich war.

Mit der notwendigen Verkehrswende hat das Fahrgastplus von 3,1 % auch noch wenig zu tun. Sie sind erfreulich, weil die Richtung stimmt, doch Ingolstadt ist immer noch mit angzogener Handbremse unterwegs! Die Möglichkeiten, die im ÖPNV liegen sind überhaupt nicht ausgeschöpft und eine ÖPNV-Offensive, die wir dringend brauchen, ist nicht erkennbar.

Christian Lange, Fraktionsvorsitzender, Bürgergemeinschaft (BGI):

Einer der Leitsätze im Verkehrsentwicklungsplan (VEP) 2025, die wir im Jahr 2015 verabschiedet haben, lautet: „Stärkung des Umweltverbundes (ÖPNV, Rad, Fuß)“. Die jetzt leicht zunehmenden Fahrgastzahlen sind aus meiner Sicht nicht einer Stärkung des ÖPNV zu verdanken. Denn diese Stärkung hat es nie gegeben.

Wir haben in den letzten Jahren gerade das gemacht, was sich nicht vermeiden ließ. So werden selbstverständlich neue Haltestellen angelegt, wenn neue Stadtteile entstehen. Es wird viel zu wenig in den ÖPNV in Ingolstadt investiert und wir erhöhen immer wieder die Fahrpreise für den Bus. Beides ist kontraproduktiv und hat den eigentlich notwendigen starken Anstieg der Fahrgastzahlen verhindert.

Seit Jahrzehnten ist der ÖPNV in Ingolstadt ein vernachlässigtes Stiefkind der Ingolstädter Verkehrspolitik. Im VEP 2025 haben wir uns vorgenommen, den Anteil des ÖPNV zu steigern. Zum Vergleich: In Bayern nutzen ca. 11 % aller Menschen öffentliche Verkehrsmittel, in den kreisfreien Städten Bayerns sind es insgesamt knapp 30 %. In unserer Stadt liegt der sogenannte Modal Split für den ÖPNV bei ungefähr 7,4 % (Stand 2016) und wird jetzt vielleicht etwas höher sein. Ein niederschmetterndes Ergebnis und somit kein Grund zu feiern oder sich gar zufrieden zurückzulehnen. Wir müssen noch viel tun in unserer Stadt, um die Menschen zum Umsteigen in Busse und Bahnen zu bewegen.

Achim Werner, Fraktionsvorsitzender, SPD

Eine Steigerung der Fahrgastzahlen um 3,1 Prozent ist erfreulich. Wir freuen uns über jeden einzelnen Fahrgast, der neu die Angebote des ÖPNV nutzt und damit einen Beitrag zum Klimaschutz leistet. Damit ist jetzt die Zahl der ÖPNV-Nutzer seit 2015 um 11,3 Prozent gestiegen, also sogar etwas mehr als die Bevölkerungszahl. Soweit so gut!

Dass der OB dieses Ergebnis als Beweis für den langjährigen Kurs zur Stärkung des ÖPNV sieht, ist allerdings mehr als gewagt, ja kann als dreist bezeichnet werden. Den bescheidenen Anpassungen der letzten Jahre standen in der Regel Einsparungen an anderer Stelle gegenüber. Bemerkenswert ist, dass die Zahl der täglichen Nutzer jetzt gerade einmal das Niveau der Zeit erreicht hat, als Ingolstadt  mit 100000 noch 40000 Einwohner weniger hatte als heute. Das war vor 30 Jahren.

Wenn unsere Steigerungsraten über dem Bundestrend liegen, dann ist dies nicht mehr als ein Hinweis darauf, wie riesig der Aufholbedarf in Ingolstadt ist.

Traue keine Statistik, die Du nicht selbst gefälscht hast, dieser flapsige Spruch fällt einem spontan ein, wenn man das sich selbst auf die Schulterklopfen der Stadtspitze betrachtet. Die vergleicht 2019 mit 2015 und kommt so drauf, das die Steigerung der Fahrgastzahlen über dem Bevölkerungswachstum liegt. Vergleicht man hingegen das Jahr 2004 mit heute, dann ist in diesen 15 Jahren das Fahrgastaufkommen gerade einmal um magere 4 Prozent gestiegen, während beim Bevölkerungswachstum 15 Prozent erreicht wurden.

Wie auch immer: der ÖPNV in Ingolstadt ist unterentwickelt. Der Anteil seiner Nutzer am gesamten Verkehrsaufkommen (Modal Split) liegt unter 10 Prozent. Was wir brauchen ist • eine erhebliche Verbesserung des Angebots in Form eines verbesserten Liniennetzes • kürzere Taktzeiten • mehr Pünktlichkeit • eine noch bessere regionale Kooperation sowie • ein neues Massenverkehrsmittel in Gestalt einer Stadtbahn oder einer Seilbahn, der jetzt schon in vielen Städten die Zukunft gehört.

Dorothea Soffner, Fraktionsvorsitzende, Unabhängige Demokraten (UDI)

Der ÖPNV könnte an vielerlei Stellen eine Aufwertung und Verbesserung vertragen. Dabei ist es äußerst frustrierend zu erleben, dass die entsprechenden Anträge zum letzten Haushalt nicht im Stadtrat behandelt wurden und letztlich im Sande verlaufen sind. Angefangen von einer extrem kurz getakteten Ringlinie, eine Kleinbus-Linie längs der Fußgängerzone vom Kreuztor bis zum Paradeplatz, deutlich verändertem Tarifsystem und vor allem einer Ausweitung der Schülerbeförderung liegt hier noch vieles im Argen.

Um die Zahlen vergleichbar zu machen, müssten auch die Fahrgäste herausgerechnet werden, die von 2015 bis 2019 als Klientel neu aber eher unfreiwillig hinzugekommen sind – die Bewohner der MIK beispielsweise. Auch ist nicht evident, welche Maßnahme die Fahrgastzahlen steigert und welche vielleicht verpufft.  Deshalb gilt für die UDI: eine Schwalbe macht noch keine Sommer und ein neues höherwertiges Verkehrssystem das den Straßenraum entlastet, muss das Endziel der ÖPNV-Politik sein.

Raimund Köstler, Gruppensprecher, ÖDP

Ein Fahrgastplus von 3,1 Prozent ist ein hervorragendes Ergebnis für den ÖPNV in Ingolstadt“. Das stimmt, denn trotz fehlender Verbesserungen im Angebot steigen die INVG-Fahrgastzahlen endlich kontinuierlich an. Warum auch unnötig Geld für den ÖPNV in die Hand nehmen, wenn es auch so geht. So können nun alle froh sein und sich entspannt zurücklehnen – geht doch.


Man mag sich aber gar nicht vorstellen, was passiert wäre, wenn all die von den Oppositionsparteien regelmäßig geforderten Verbesserrungen umgesetzt worden wären und die Sparwelle am ÖPNV vorbei gegangen wäre.
Wahrscheinlich hätten die Fahrgastzahlen mit der Einwohnerentwicklung im Vergleich zum Jahr 2000 mitgehalten. Dann wären wir rechnerisch bei 66.000 statt den nun erreichten 57.383 Fahrgästen. Die Entlastung, die dadurch im Straßenverkehr erreicht worden wäre, ist leider schwer in Euro zu beziffern.

Ich wage aber zu behaupten, dass sich die Sparmentalität im ÖPNV nicht rechnet. Der eine oder andere, der gerade im Stau steht, wird mir vielleicht zustimmen. So haben wir aber nun erstmalig wieder die Zahlen aus dem Jahr 2000 übertroffen und Grund zum Feiern.

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