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Schweigen ist Schwäche

Schweigen ist Schwäche

O-T(h)öne gibt Fraktionen und Gruppierungen im Ingolstädter Stadtrat, sowie ausgewählten Personen des gesellschaftlichen Lebens und aus dem journalistischen Bereich, in der Rubrik "Aus fremder Feder", die Möglichkeit eines Gastkommentars zur Ingolstädter Kommunalpolitik. Das Thema ist durch den Gastkommentator frei wählbar, ebenso die Länge des Textes. Die Veröffentlichung erfolgt nicht redigiert und ungekürzt. Die Verantwortung für den Inhalt trägt allein der Verfasser des Gastkommentars.

Gastkommentar von Sebastian Knott

Nein. Das soll nicht einer dieser vielzähligen, langatmigen und mittlerweile gleichartigen Kommentare für oder wider den Standort der Kammerspiele werden. Wer die sozialen Medien verfolgt, kennt die unbeirrbaren Einstellungen der sich äußernden Protagonisten. Es soll ein Kommentar für mehr Mut, Anstand und Bewusstsein unserer eigenen Geschichte werden. Nicht gegen Duckmäuserei und Parteikalkül, sondern für Verantwortung und Stärke.

Es eskalierte. Auf eine Stufe, die ich, ebenso wie viele andere mehr oder weniger verbitterte Wahlwerber weder erwartet noch für möglich gehalten hätten. Ein (wie in der Regel) spät nächtlicher Post des Oberbürgermeisters mit AfD- und Trumpvergleichen führte zu tiefen Griffen in die Nazi-Mottenkiste von Achim Werner, eines weiteren Ex-SPD-Stadtratskandidaten (na ja, von 2014) und auch die Äußerungen von (wohl hiernach ex-) Ehrenbürgerkandidat Manfred Schuhmann gingen in diese Richtung.

Das ist schlimm. So schlimm sogar, dass die Staatsanwaltschaft ermittelt (gegen den Ex-Stadtratskandidaten). Achim Werners Chance, durch eine Entschuldigung Einsicht, Geschichtsbewusstsein oder auch (vielleicht etwas viel verlangt) Größe zu zeigen, verstrich ungenutzt.

Noch schlimmer ist es, wie die Stadtratsparteien damit umgehen. Nämlich nicht. Kein Wort der Kritik an diesen Aussagen. Jeder vermeidet es, den Namen der Übeltäter auch nur anzusprechen. Hat es sich nicht gerade die Linkspartei auf die Fahnen geschrieben, gegen die Instrumentalisierung des dritten Reiches zu stehen. Wo ist die Empörung von Christian Pauling? Hat nicht die UWG mit Christian Lange einen einst wortgewaltigen Vorsitzenden, der rotköpfig (und zu Recht) dagegen wetterte, als „Brunnenvergifter“ dargestellt zu werden? Jetzt wird ein Stadtratskollege als „Chef dieser SA“ hingestellt und Lange schweigt schallend.

Hat nicht der Oberbürgermeister die Aufgabe, Brücken zu bauen und wenn er schon durch launige Mitteilungen zur Geisterstunde mitverantwortlich ist für den (Achtung Euphemismus) Schlamassel, die Situation geradezurücken, Grenzen aufzuzeigen und sich deutlich auf die Seite des Rechtes (denn gerade die letzte Äußerung stellt eine Straftat dar) zu stellen? Es kam eine allenfalls lauwarme Erklärung, man möge die Diskussion versachlichen. Das reicht nicht, ist aber immer noch besser als die Reaktion von Herrn De Lapuente, des Fraktionsvorsitzenden der SPD, der diverse direkte Nachfragen schlicht und ergreifend nicht beantwortet. Feige. Da wird falsch priorisiert.

Von Vorzeigedemokraten wie den Grünen oder auch der FDP kommt….nichts. Regt man sich wortreich über (wohl tatsächlich) populistische Plakate auf, sind Nazi-Vergleiche wohl OK. Die Frage ist nur, ob diese immer OK sind, oder nur dann, wenn sie von einem Werber für den Standort Schutterstraße kommen? Sie merken? Klingt fast so, als liefe hier etwas verkehrt.

Andere Protagonisten verordnen sich selbst laut und vernehmbar ein Schweigegebot (Matthias Schickel) oder sagen einfach nichts mehr. Das hielte ich für in Ordnung, NACHDEM man sich gegen diese (ich nenne sie mal) Taten laut und deutlich gewehrt hat. Als Demokrat. Als Denkender. Als Mensch. Danach kann Schweigen Stärke sein.

Einzig die CSU (und ja, auch die JU) zeigt, wie es geht. Selbst tief gespalten in dieser Frage ringen sich (anders kann man es nicht nennen) der Fraktions- und der Parteivorsitzende zu einer klaren und deutlichen  gemeinsamen Pressemitteilung durch. Sie erkennen die Dimension des Vorfalls und haben die Kraft, Differenzen über eine (und ja, das ist sie immer noch) Sachfrage hinten anzustellen und als verantwortungsvolle Politiker deutliche Worte zu finden. Stark. Danke.

Unser Leitmedium macht leider auch keine glückliche Figur in der Sache. Die Aussage „Ein Nazi-Vergleich – Musste das sein?“ - so der Reporter -  ist ein zu schwaches Zeichen gegen eine derartige Eskalation.

Lasst uns streiten. Laut und bunt. Argumente. Bilder. Gefühle. Gedanken. Ängste. Intellekt. Emotion. Rhetorik. Lautstärke. Musik. Gedicht. Gemälde. Wenn gewünscht, auch bis zur letzten Minute der Abstimmung. Seien wir dankbar, dass dies in unserem Land möglich ist.

Wenn aber die rote Linie des Nazi-Vergleichs als Schandstempel dafür verwendet wird, eine eigene Sachposition, ein Projekt oder eine Meinung als gut und die andere Meinung als böse hinzustellen, dann müssen wir zusammenhalten. Dann darf es nicht mehr für oder wider Plakate, Kammerspiele, Bauplatz oder sonst was heißen. Dann muss es heißen: Wir verurteilen diese Aussagen. Wir schweigen sie nicht richtig.

Denn dann ist Schweigen Schwäche.

Anmerkung der Redaktion: Dieser Gastkommentar war durch den Verfasser schon fertiggestellt, als die Stellungnahme von Frau Bulling-Schröter bei O-T(h)öne einging.

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